Großes Interesse an Science and Cases in Linz

23.06.2015

Am 17. Juni 2015 fanden sich mehr als 30 Personen in den gemütlichen Räumlichkeiten des Paul’s gegenüber des Mariendoms ein, um spannende und ungewöhnliche Case Reports zu diskutieren.

Den Vorsitz hatten die Mammakarzinom-Experten vom BHS Linz, Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Petzer, Prim. Univ.-Prof. Dr. Farid Moinfar sowie ABCSG-Vorstandsmitglied Univ.-Prof. Dr. Florian Fitzal inne, und nach einer kurzen Begrüßung und Einführung in den Ablauf ging es auch schon mit der ersten Fallpräsentation von OÄ Dr. Monika Penzinger vom BHS Ried los.

eBC im neoadjuvanten Setting

Nach der knappen Schilderung des Falls einer 49-jährigen Patientin mit schnell wachsendem Fibroadenom ohne Metastasen, die im letzten Jahr vorstellig wurde, wurden die drei Arbeitsgruppen auch schon mit der Frage nach dem geeigneten Chemotherapieschema sowie den Therapieoptionen nach heutiger Datenlage in die Diskussionen geschickt.
Nach 10 Minuten waren sich die Gruppen dann auch weitgehend einig und die GruppensprecherInnen präsentierten der Reihe nach die Ergebnisse ihrer Teams. Für die Gruppe Gelb war Prim. Dr. Johannes Andel als Gruppensprecher nominiert, sein Team plädierte für ein Jahr Herceptin und heutzutage würde man wahrscheinlich auch Pertuzumab dazu geben können, obwohl es keine laufenden Studien dazu gibt und in der Indikation auch keine Zulassung vorliegt.

Die Gruppe Grün hatte OÄ Dr. Silvia Wenzl-Eybl als Sprecherin, deren Team letztes Jahr das Schema 3x FEC + Taxan + Herceptin verabreicht hätte und heute eventuell Herceptin kombiniert mit Pertuzumab geben würde. Auch hier wurde auf die fehlende Zulassung hingewiesen.

Für das rote Team kam OÄ Dr. Ruth Helfgott nach vorne und erläuterte die Ergebnisse der Diskussionen in ihrer Gruppe: Im Jahr 2014 hätten sie wie die Gruppe Grün entschieden, heute würden sie progressiver vorgehen und die duale Blockade wählen.

Prof. Fitzal bindet nun auch gleich das Podium in die entstehende Diskussion ein und sammelt Meinungen – Prof. Petzer würde ebenfalls Pertuzumab einsetzen, die zu erwartende Toxizität ist nicht dramatisch. Prim. Univ.-Doz. Dr. Michael Fridrik hingegen würde eher die Zahl der Chemotherapiezyklen erhöhen, an seiner Abteilung werden dosisdichte Schemata verabreicht, die Datenlage hierzu ist zufriedenstellend.

Nachdem unter den TeilnehmerInnen auch ein Radiologe anwesend ist, richtet Vorsitzender Petzer direkt an ihn die Frage, wie sicher denn ein Befund „Fibroadenom“ denn sein kann? Denn für seinen Kollegen Prof. Moinfar ist es ungewöhnlich, dass die Zellen in Gewebe wachsen, ihm seien nur zwei Fälle bekannt, wo die pathologische Untersuchung hochgradig atypische Zellen ergeben hätte.
Der angesprochene Experte im Auditorium hätte im konkreten Fall auf eine Feinnadelpunktion verzichtet, ein Karzinom schaut nach einem Zeitraum von sechs Monaten seiner Meinung nach anders aus, viel größer.

OÄ Penzinger löste den Fall auf, nach 6 Zyklen Paclitaxel, Carboplatin und Trastuzumab schrumpfte der Tumor stetig, sodass er schließlich operativ entfernt werden konnte. Nach der anschließenden Bestrahlung erhilet die Patientin adjuvant Trastuzumab für ein Jahr, nur einen Tag vor „Science and Cases“ erhielt sie ihre letzte Gabe und weist einen zufriedenstellenden Allgemeinzustand auf.
Prof. Fitzal wies allerdings noch darauf hin, dass bei der Gabe von Platinen Vorsicht geboten ist, da es hier noch wenig Daten gibt.

eBC im adjuvanten Setting

Nach diesem trotzdem guten Ausgang war Univ.-Doz. Dr. Peter Schrenk an der Reihe. Seine Patientin, eine 45-Jährige Frau mit positiver Familienanamnese, hatte selbst einen Knoten ertastet, der sich als lobuläresr HER2-neu-positives G2-Karzinom herausstellte.
Mit der Frage, welche weiteren Untersuchungen bzw. welches therapeutische Vorgehen nun sinnvoll wäre, wurden die Arbeitsgruppen wieder aus dem Saal und in die Diskussion geschickt.

Prim. Andels Gruppe Gelb würde eine Ablatio vornehmen, eine brusterhaltende Operation (BET) wäre allerdings wahrscheinlich auch möglich. Jedenfalls sollte eine BRCA-Testung durchgeführt werden, eine adjuvante Chemotherapie mit Bestrahlung und 10 Jahre Tamoxifen.

Das rote Team würde bei passender Brustgröße jedenfalls eine BET empfehlen, natürlich auch eine adjuvante Chemotherapie. Einen Kinderwunsch bei einer 45-jährigen Frau hielt diese Gruppe für unrealistisch, was zu einigen Diskussionen im Publikum führte. Man einigte sich darauf, dass man die Patientin entsprechend informieren würde, aber hielt ein derartiges Anliegen für unrealistisch.

Auch die Gruppe Grün würde keine neoadjuvante Chemotherapie in Betracht ziehen, eine adjuvante aber jedenfalls verabreichen. Hier tendierten die Mitglieder eher zur Ablation als zur BET, der Kinderwunsch wurde auch hier nicht in Betracht gezogen, als Behandler hätten sie davon abgeraten.

Doz. Schrenk lieferte dann auch gleich die Auflösung, die Patientin erhielt je 4 Zyklen Doxorubicin+Cyclophosphamid bzw. Paclitaxel, außerdem Tamoxifen für fünf Jahre, gefolgt von Bisphosphonaten für fünf Jahre. Auf die Frage von Prof. Fitzal, wer denn sagt, dass hier Aromatase-Inhibitoren besser wären, antwortete das Publikum unisono: „Die ABCSG!“, was für Lacher im Seminarraum sorgte.
Doz. Fridrik wirft hier noch ein, dass man mit Patienten ja über Therapiestrategien diskutieren kann und soll, man kann Empfehlungen abgeben: „Was immer man macht, es ist nicht verkehrt!“ Im weiteren Verlauf entspinnt sich eine angeregte Diskussion über diesen prinzipiell nicht außergewöhnlichen Case Report, bei der Prof. Fitzal als Chirurg letztendlich als Verfechter der Chemotherapie auftritt, was wiederum für Lachen im Publikum sorgt.

High Risk

Ernsthafter wurde es wieder beim nächsten Fall, Doz. Fridrik präsentierte eine 1962 geborene Patientin mit Knochenmetastasen, kleineren Metastasen in der Leber und einem progredientem Pleuraerguss. Sie litt sogar in Ruhe unter Atemnot, was sich niemand so recht erklären konnte. Daher also die Frage an die Arbeitsgruppen, wie man hier vorgehen könnte.

Das gelbe Team meinte, es sei ein Perikarderguss, sie würden mit Taxanen +Avastin behandeln, Gruppe Grün würde ein Echo anordnen und dann möglichst eine Chemo-Kombinationstherapie geben, damit ein schnelles Ansprechen erzielt wird. Die rote Gruppe schloss sich diesem Vorgehen an.
Nachdem sich die Gruppen schon schnell einig waren, vermutete Doz. Fridrik, dass sein Fall wohl doch zu einfach war und löste auf: Die Patientin erhielt Bevacizumab, das zu einer hohen und frühen Remission führt, zusammen mit Paclitaxel wöchentlich. Die Studiendaten belegen für Bevacizumab zwar eine schnelle Remission, aber weniger gute Ergebnisse beim Overall Survival (IMELDA-Trial), doch ersteres war im konkreten Fall vorerst wichtiger.
Prof. Fitzal erkundigte sich auch gleich nach den Nebenwirkungen, doch hier konnte der Referent beruhigen – es geht der Patientin sehr gut, sie wurde recht bald wegen einer Polyneuropathie auf Capecitabine umgestellt, wobei hier die Beeinträchtigungen des Nagelwachstums ein Problem darstellen.
Alles in allem war dieser Fall ein gutes Beispiel für personalisierte Medizin, wie alle fanden, und man ging weiter im Programm zum nächsten Case Report.

mBC 1st line

OA Dr. Ferdinand Haslbauer stellte den Fall einer 62-jährigen Frau mit Tumoren in beiden Mammae vor, mit negativer Familienanamnese und ohne Begleiterkrankungen. In der Skelettszintigrafie zeigten sich Metastasen in der Brustwirbelsäule, die bereits zu einem pathologischen Wirbelbruch geführt hatten. Fremdgewebe war auch schon im Spinalkanal mit Kontakt zum Myelon eingedrungen. Neurologische Beeinträchtigungen gab es noch nicht – was würden die Gruppen nun tun?

Auch hier waren die Beratungen relativ zügig abgeschlossen, die grüne Gruppe hatte einen Heimvorteil, weil sie mit OA Haslbauer einen Insider im Team hatten, und machte auch gleich den Anfang: Sie würden die Patientin einem Neurochirurgen vorstellen, der über Operation oder Bestrahlung entscheiden sollte, gleichzeitig mit Herceptin+Arimidex+Taxan behandeln.
Das rote Team präferierte die palliative Strahlentherapie, auch eine OP war nicht ausgeschlossen, sie würden die Patientin außerdem in ABCSG 28 einschließen, eine duale Blockade mit Taxan vornehmen und eventuell noch Aromatasehemmer geben.
Gruppe Gelb würde Taxane geben, da es ein HER2-neu-Karzinom war, und die Radiatio einer OP vorziehen. Danach mit Xgeva und Denosumab therapieren, bis sich die Situation verbessert.

OA Haslbauer löst auf: Das gelbe Team war am nächsten dran – die Patientin wurde zwar einem Neurochirurgen vorgestellt, der lehnte die OP allerdings aufgrund des zu großen Risikos ab. Die Patientin wurde behandelt wie ein rohes Ei und mit einem Mieder immobilisiert. Von Mitte Juni 2013 bis Anfang August 2013 war sie stationär aufgenommen, währenddessen radiotherapeutisch behandelt, außerdem erhielt sie Denosumab, Kalzium- und Vitamin D3-Substitution und Analgetika. Als Chemotherapie wurden sechs Serien Trastuzumab+Pertuzumab und Docetaxel verabreicht, gefolgt von Trastuzumab+Pertuzumab allein, außerdem Letrozol. Natürlich wurden regelmäßig CT’s von der Brustwirbelsäule gemacht, um die Stabilität zu beurteilen.
Auf den gezeigten Onko-PETs war die Remission deutlich zu erkennen – der Patientin geht es mittlerweile sehr gut und sie kann sogar ihr neugeborenes Enkelkind im Arm halten.

Auf Nachfrage der Vorsitzenden gibt die im Publikum anwesende Strahlentherapeutin Dr. Christine Track ihre Einschätzung zur Kombination Strahlentherapie – Herceptin ab, die ihrer Ansicht nach problemlos möglich ist. Bei Perjeta ist es anders, da gibt es zu den Reaktionen keine Daten, sodass sie hier von der Strahlentherapie eher abraten würde.

Aufgrund der bereits fortgeschrittenen Zeit verzichtete OA Haslbauer auf die Therapieargumentation anhand einiger ausgewählter Studiendaten und man kam zum letzten Fall des Abends mit OÄ Dr. Renate Koplmüller, die an diesem Tag schon mit der erfreulichen Nachricht einer für ABCSG 38/Lorelei im Zentrum Wels-Grieskirchen randomisierten Patientin aufhorchen ließ.

mBC 2nd line

Nun ging es um eine 51-Jährige mit exulzeriertem Mammakarzinom beidseits und multiplen Metastasen in Schädel, Hals- und Brustwirbelsäule und Oberschenkeln. Subjektiv gab es kaum Symptome. Die Histologie ergab ein HER2-negatives Karzinom, auf beiden Seiten waren die axillären Lymphknoten befallen. In der Erstlinien-Therapie erhielt die Patientin sechs Zyklen Docetaxel, anschließend nichtsteroidale Aromatasehemmer (bei postmenopausalem Hormonstatus) sowie Zoledronsäure. Das Ansprechen war erstaunlich und alle Herden waren größenregredient. 44 Monate später kam es zu einem Pleuraerguss links, einem kleinen Perikarderguss, Aszites, progredienten thorakalen Lymphknoten, einer Raumforderung in der rechten Nebenniere und ossären Metastasen.
Sollte man nun die endokrine Schiene fortsetzen oder eine Chemotherapie geben? Und wenn ja, welche? Mit diesen Fragen ausgestattet, sammelten sich die Gruppen wieder an den Stehtischen vor dem Seminarraum.
Wahrscheinlich motiviert von den schon bereit gestellten kalten Tapas waren alle drei Gruppen erstaunlich rasch mit ihren Diskussionen fertig und kamen wieder zusammen. Und alle drei Gruppen waren sich einig: Chemotherapie ist nicht nötig, man gut endokrin weiter therapieren – Grün tendierte zu Everolimus, Gelb zu Fulvestrant.

Bei der Auflösung räumte OÄ Koplmüller ein, dass sie und ihre KollegInnen eine unkonventionelle Therapie gewählt hatten, die man nicht als Standard empfehlen kann. Die Patientin erhielt sechs Zyklen Docetaxel+Bevacizumab, danach Bevacizumab mono mit Aromatase-Inhibitoren und im Anschluss Denosumab. Es kam zu einer Remission und vor allem auch zu keinen neuen Läsionen. IN der Schlussdiskussion wurde dieser Mix aus mehreren Studiendaten noch ebenso thematisiert wie die Frage nach der optimalen Nachsorge – und obwohl wir schon längst über der Zeit waren, war die Beteiligung daran sehr groß. Doch schließlich rief Prof. Petzer zur Verlagerung der Gespräche ans Buffet, dem leisteten alle TeilnehmerInnen gerne Folge.

Es war ein sehr gelungener und intensiver Abend in Linz, an dem sich spannende Fälle und entspannte Diskussionen die Waage gehalten haben. Wir freuen uns, wenn wir mit „Science and Cases“ wieder in Oberösterreich zu Gast sein dürfen und hoffen bis dahin auf reges Interesse beim nächsten Fortbildungstermin in Wien am 21. Oktober 2015!

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